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David Uhr, Geschäftsführer der Railflex GmbH

Warum muß die Kalkbahn pfeifen?

Die Antwort ist ganz simpel: Damit die Straßenverkehrsteilnehmer bzw. Wegebenutzer die an einen Bahnübergang herannahenden Züge rechtzeitig hören können und anhalten.

Nach einem Unfall an irgendeinem Bahnübergang heißt es häufig in der Presse: „… an einem ungesicherter Bahnübergang….“ In Wirklichkeit ist jeder Bahnübergang gesichert, wobei man zwischen technisch gesicherten bzw. nicht-technisch gesicherten Bahnübergängen unterscheidet.
Die Sicherheit an jedem Bahnübergang beruht im wesentlichen auf folgenden drei Faktoren:

1. Die Ankündigung des Bahnüberganges an den Wegebenutzer
2. Die Ankündigung, dass sich ein Zug dem Bahnübergang nähert
3. Dass sich der Wegebenutzer richtig verhält.

Die Ankündigung des Bahnübergangs an den Wegebenutzer erfolgt durch die Straßenverkehrzeichen 150 oder 151 sowie den Zeichen 159 bis 162.
Die Ankündigung des herannahenden Zuges an den Straßenverkehrsteilnehmer erfolgt bei technisch gesicherten Bahnübergängen durch rotes Blink- oder Dauerlicht. Zusätzlich können auch (Halb)schranken zum Einsatz kommen. Bei nicht-technisch gesicherten Bahnübergängen wird das Ankündigen eines Zuges in der Regel durch akustische Signale (Pfeifen) sichergestellt. Die Vorschrift besagt, dass pro Pfeiftafel (Signalisierung für den Lokführer zum pfeifen) etwa 3 Sekunden lang gepfiffen werden muss.

Wie wichtig und unverzichtbar diese Pfeifsignale sind, zeigt der Unfall vom 20.06.2005 bei dem ein Traktorfahrer das Pfeifen eines Zuges auf der Kalkbahn überhörte(!), woraufhin der 2.200 t schwere Zug mit dem Traktor zusammenstieß. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Allein im Jahr 2000 kamen an Bahnübergängen der DB AG 74 Menschen ums Leben. Bezieht man alle Schienenübergänge ein, auch die der Straßenbahnen, starben 91 Menschen, 431 Menschen wurden schwer verletzt (Quelle DVR).

97% aller Unfälle an Bahnübergängen lassen sich auf das falsche Verhalten der Straßenverkehrsteilnehmer bzw. Wegebenutzer und somit auf Punkt 3 der Sicherheitskette zurückführen. So glauben viele Autofahrer, dass sie bei rotem Blinklicht den Bahnübergang noch überqueren dürfen. Richtig ist jedoch ob blinkend oder Dauerlicht: Rot ist Rot und Rot bedeutet Anhalten! Das Andreaskreuz bedeutet „dem Schienenverkehr ist Vorrang zu gewähren“. Nicht ohne Grund ist von Vorrang und nicht Vorfahrt die Rede. Züge haben einen im Vergleich zum Straßenverkehr sehr langen Bremsweg und können nicht ausweichen. Oft ist zu beobachten, dass beispielsweise bei Rückstau auf dem Bahnübergang gehalten wird, oder Halbschranken noch schnell überfahren werden. Autofahrer neigen dazu, Erfahrungen aus ihnen bekannten Bahnübergängen auf fremde Bahnübergänge zu übertragen. Hier lauert größte Gefahr. Denn während bei dem einen Bahnübergang es noch 3 Minuten dauern kann bis der Zug kommt, ist er bei einem anderen Bahnübergang bereits 10 Sekunden später da.
Am Bahnübergang an der Auermühle ist immer wieder zu beobachten, wie besonders opferbereite Autofahrer in der Sperrzone zwischen Andreaskreuz und den Schienen parken. Das zeigt zum einem, wie sehr die Straßenverkehrsteilnehmer die Gefahren der Eisenbahn unterschätzen, und zum Anderen, wie nötig es ist, dass die Züge an Bahnübergängen ihr Herannahen signalisieren. Es gilt sich vor Augen zu halten, dass die Kalkzüge teilweise weit über 2.000t schwer sind. Auch wer in der Schule immer nur schlechte Noten in Physik mit nach Hause brachte, kann sich vorstellen, wie lange ein solcher Zug braucht, bis er zum Stillstand kommt und wie viel von seinem Auto und ihm selbst nach diesem Bremsweg noch übrig ist, auch wenn die Züge auf der Kalkbahn „nur“ 50 km/h fahren. Da bei der Eisenbahn Metallräder auf Metallschienen rollen, ist der Rollwiderstand gering, daher wird nur ¼ der Energie benötigt, die bei gleichem Transport auf der Straße nötig wäre. Nachteilig wirkt sich diese Eigenschaft als niedrige Haftreibung auf den Bremsweg aus.

Die Anwohner der Kalkbahn sollten sich freuen, wenn sie einen Zug pfeifen hören. Denn er leistet einen großen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz. Schließlich müssten sonst statt eines Zuges auch 80 Lkw an ihren Häusern vorbei fahren. Au-ßerdem gehört die Kalkbahn seit 1903 zum Bild des Angertals, sodass allenfalls die mehr als 104 Jahre alten Anwohner das Angertal ohne das Pfeifen der Züge kennen können. Wer erst 103 oder noch jünger ist und an der Angertal- bzw. Kalkbahn wohnt, hat seine Wohnortwahl an der Eisenbahnstrecke gut gewählt.

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