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Hoffmann-Werke Lintorf
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1997 - Früher ging es nach dem Überqueren des Breitschreider Weges auf das Werksgelände der Hoffmann-Werke.
1997 - Andere Perspektive
Rheinische Post

Lokalteil Ratingen - Kettwig - Angerland

Samstag, 12.April 1952

Autor: unbekannt

Auf vielen Straßen der weiten Welt

Räder und Motorräder aus Lintorf wurden begehrte Exportartikel

LINTORF "Wir sind sehr enttäuscht und die Käufer sind ungehalten, weil ihre "Governeur" noch nicht ausgeliefert wird." - So und ähnlich lauten die Briefe, die Tag für Tag bei den Hoffmann-Werken in Lintorf eintreffen und nicht nur den Exportleiter, sondern auch den Inhaber des Betriebes "weich" machen wollen, die einzige 250er- Maschine mit Boxermotor in der Welt schnellstens auf den Markt zu bringen. Der König der Belgier, der diese neueste Hoffmann-Maschine in der Brüsseler Ausstellung sah, war von ihr begeistert. Alle anderen Fahrzeuge interessierten ihn nicht, schrieb der Brüsseler Vertreter der Firma. Die Schweiz und Frankreich wollen sofort je 500 Stück abnehmen. Belgien möchte gleich 1000 haben, in der Hauptsache "Gouverneur".

Zwölf Maschinen dieses Typs sind in ständiger Erprobung, seitdem Hoffmann sie zum ersten malin Frankfurt gezeigt hat und die Fachwelt begeisterte. Aber er wird nicht eher in Serie gehen, bis die letzten Kinderkrankheiten behoben sind. Wenn die Maschine auf Markt kommt - man rechnet mit Juni bis Juli - ist sie wirklich "fit" und zuverlässig, so wie die anderen Produkte des Unternehmens, das nach dem Krieg mit der Fahrradfabrikation anfing, heute rund 800 Belegschaftsmitglieder hat und zu den exportintensivsten Betrieben der Branche zählt.

Am Kongo und in Indonesien

Sieht man einmal die Liste der Länder durch, die im letzten Jahr von den Hoffmann-Werken beliefert wurden, staunt man über die weltweiten Beziehungen eines Unternehmens, von dessen Existenz nun selbst in zahlreichen Gemeinden und Städten des Landkreises, der unmittelbaren Nachbarschaft also, kaum etwas weiß. Bei den Fahrrädern, die nach wie vor

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Bildunterschrift: In jede Exportkiste kommen sechs demontierte Fahrräder

einen erfreulichen Teil der Produktion ausmachen, liegen Belgisch-Kongo und Indonesien an der Spitze. Das Geschäft hat erst vor kurzem begonnen. 5000 Hoffmann-Räder laufen mittlerweile am Kongo. Weitere 10 000 folgen. Tag für Tag werden die großen Exportkisten mit je sechs Rädern verladen. Die Düsseldorfer Zollbeamten haben mittlerweise ständigen Kurs nach Lintorf. In Indonesien sind 2500 Räder, [unlesbar] werden in den nächsten Wochen ausgeliefert. Selbst die USA haben entdeckt, daß Hoffmann-Sporträder akzeptable Vehikel sind. [unlesbar] sind als erste Partie bestellt und werden demnächst verschickt. Singapur, Nigeria, Türkei und Brasilien folgen mit mehrere tausend Stück [unlesbar]. Die mittelamerikanischen Staaten machen erste Versuche, ebenso die Gebiete, die augenblicklich einen englandfeindlichen Kurs steuern und aus politischen Gründen ihre bisherigen Lieferanten ausbooten. Einen Teilgewinn hat der deutsche Export.

Ohne deutsche Export-Förderung

Nicht unmaßgeblich an diesem Geschäft sind die Hoffmann-Werke beteiligt, die sich auf dem freien Weltmarkt einer erheblichen Konkurrenz gegenübersehen. Vor allem England, Frankreich und Japan machen das Fahrradgeschäft. Die Stellung der Hoffmann-Werke ist hier nicht leicht, weil die Konkurrenz mit staatlicher Exportförderung arbeitet, die für die deutschen Exporteure vollkommen ausfällt. Diese sind vollkommen auf sich gestellt und müssen die eigene Substanz einspannen, um ins Geschäft zu kommen. Staatliche Exportsubventionen sind für uns verboten. Trotzdem hofft man, aus dem Geschäft, das im Augenblick mit kleinen Gewinnen oder plus minus Null abschließt, in absehbarer Zeit Gewinne ziehen zu können, weil Qualitätsarbeit sich durchsetzt. Exportmodelle der Hoffmann-Werke sind von denen des Inlandmarktes verschieden. In der englischen Einflußphäre werden englische Modelle bevorzugt, in den nach Frankreich tendierenden Gebieten französische. Entsprechend ist die Ausführung in Aussehen und Schnitt. Lediglich die ehemaligen deutschen Kolonialgebiete und Finnland verlangen deutsche Fahrradmodelle.

Fahrradteile für Indien

Eine weitere Erschwerung des Exports ist die Devisenarmut bzw. Devisenkontingentierung der Aufnahmeländer. In den liberalisierten Ländern kann man von einem laufenden Geschäft sprechen. Bei den übrigen staut sich der Bedarf, stauen sich aber auch die Aufträge, bis wieder eine bestimmte Summe für den Fahrrad- oder Motorradeinkauf freigegeben wird. Dann allerdings kommen große Aufträge, die die Exportzahlen stoßweise in die Höhe treiben, so daß man in Lintorf Mühe hat, den Anforderungen nachzukommen. Trotzdem schafft der eingefahrene Betrieb sämtliche Aufträge, weil das Inlandsgeschäft - von der saisonbedingten Belebung im Frühjahr abgesehen - ruhiger geworden ist. Das starke Angebot deutscher Fahrradfabriken macht sich bemerkbar, so daß die Verlagerung ins Exportgeschäft auch volkswirtschaftlich zu begrüßen ist. Der Gewinn ist zwar nicht groß, aber die Menschen behalten ihre Arbeitsplätze. Wichtiger Bestandteil des Exportgeschäfts ist übrigens der Verkauf von Fahrradteilen, die im Werk hergestellt werden. Außerordentlich gefragt und in großen Mengen für den Export bestimmt sind Kettenradgarnituren und Gepäckträger, Hauptabnehmer sind Holland, Dänemark, Indien und wiederum Belgisch-Kongo. Preis und Ausführung sind für das umfangreiche Geschäft maßgebend.

Drei "Vespen" am Amazonas

Das Prunkstück der Hoffmann-Werke, die in Lizenz gebaute "Vespa", wird nicht exportiert. Die Verträge mit dem italienischen Stammwerk lassen das nicht zu. "Leider", sagteExportleiter König. Wäre das der Fall, würde für Deutschland nicht mehr eine "Vespa" greifbar sein, weil die bei Hoffmann gebaute außerordentlich begehrt ist. Drei Maschinen laufen allerdings am Amazonas. Missionare kauften sie, bevor sie in die Missionen gingen, in Deutschland. Sie bewähren sich ausgezeichnet. In Deutschland ist das nicht anders. Wenn man vom Motorroller spricht, meint man die "Vespa". Die steigende Beliebtheit läßt sich

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Bildunterschrift: Mit Hau-Ruck werden die Kisten, die für Belisch-Kongo bestimmt sind, verladen.
Anmerkung: Zu sehen ist die Verladung in einen Güterwagen

zahlenmäßig beweisen. Im März 1951 wurden 352 Stück verkauft. Im März 1952 waren es 1332. Bedarf es eines weiteren Beweises ?

Belgischer König ist begeistert

Per Lastzug oder per Waggon werden die Exportgüter aus Lintorf abgefahren. Wetterfeste Übersehkisten, mit Ölpapier ausgeschlagen, außen mit Bandeisen und Eisenecken verstärkt stehen auf der Verladerampe oder in der Halle. [unlesbar] Je schwerer das Motorrad, um so leichter ist es zu verkaufen. Der Anteil der leichten Maschinen am Gesamtumsatz ist zugunsten der schwereren Modelle gesunken. Der 250er Einzylinder hat viele Freunde gewonnen. Die "Gouverneur" mit Zweizylinder-Boxermotor, dem einzigen in der Welt, hat selbst den belgischen König begeistert.[unlesbar]

Verein Lintorfer Heimatfreunde - Beitrag in Facebook:

Wie Lintorf sich verändert hat… Lintorfer Industriegeschichte

Der heutige Beitrag widmet sich einem Industriestandort im Norden Lintorfs. Fährt man über den Breitscheider Weg Richtung Breitscheid, sieht man vor der Brücke der A 524 auf der linken Seite einen größeren Industriekomplex.

Wenn wir uns mit diesen Gebäuden und ihrer Geschichte befassen, müssen wir bis in das Jahr 1899 zurückgehen. Damals wurde an dieser Stelle ein Walz- und Stanzwerk mit dem Namen „Gewerkschaft Fürstenberg“ gegründet. Doch dieses Unternehmen existierte nicht lange. 1905 erfolgte die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Den Zuschlag erhielt der Berliner Patentanwalt Kurt von Nießen - seine Ehefrau war Marie geborene Bredt. Das Wittener Unternehmen A. Bredt & Co, welches in der gleichen Branche wie die „Gewerkschaft Fürstenberg“ tätig war, richtete dann in den Gewerbehallen eine Niederlassung ein. Daraus entstand einige Jahre später die Lintorfer Walzwerk- und Vertriebsgesellschaft mit dem Geschäftsführer Kurt von Nießen. 1940 wurde daraus die "Lintorfer Walzwerk G. m. b. H.", ein Tochterunternehmen der Firma Mannesmann.

Im August 1945 erwarb der Unternehmer Jakob Oswald Hoffman die Betriebsstätte und erweiterte die Gebäude. Zunächst ließ er Fahrräder produzieren, nach denen nach dem Krieg eine große Nachfrage bestand. Ab 1950 verließen auch in Lizenz gebaute Vespa-Roller das Lintorfer Werk. Daneben wurden Hoffmann-Motorräder hergestellt, die sich heute noch in Sammlerkreisen großer Beliebtheit erfreuen. Bedingt durch unternehmerische Fehlentscheidungen und anhängige Prozesse kam es 1957 zu einem Zwangsvergleich über das Vermögen der Firma. Im gleichen Jahr erfolgte ein Verkauf des Grundstücks an die Düsseldorfer Maschinenfabrik Peter Pfenningsberg GmbH. Dieser Firmenname wird den wenigsten etwas sagen.

Später erfolgte eine Namensänderung und damit begann ein neues Kapitel. Unter dem Namen Constructa, der wohl jedem bekannt ist, wurde in Lintorf der erste deutsche Waschvollautomat hergestellt. Man wuchs zum Marktführer in Deutschland und entsprechend wurden die Produktionsstätten weiter ausgebaut. 1961 wurden die Constructa-Werke an den Elektrokonzern Siemens verkauft. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen 3500 Mitarbeiter. Siemens verlagerte 1968 die Produktion nach Berlin.

1970 taucht noch einmal der Name Mannesmann auf: Eine neu gegründete Mannesmann-Röhren-Gesellschaft übernahm das Gelände, blieb aber nur wenige Jahre. Danach verfielen die Gebäude und Produktionsstätten und es bot sich ein trostloses Bild des Areals.

1994 wurden Teile der Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Im Dezember 1994 gab es einen neuen Eigentümer, der die Gebäude entsprechend den Auflagen restaurierte.

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